Robert Messer
Der Co-Präsident der Musikgesellschaft Kölliken im Interview
Spannende Diskussion mit Fabian Hägler (Chefredaktor AZ), Moderatorin Aileen Lakatos (Journalistin Beobachter), Colette Basler (Grossrätin SP Aargau) und Christof Nietlisbach (VR-Präsident Freiämter Regionalzeitungen) im kuk Aarau.
Bild: Olivier Diethelm
Zum Thema «Freie Medien unter Druck» organisierte die Anny Klawa-Morf-Stiftung im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Baustellen der Demokratie» eine spannende Diskussion. Diese fand im kuk Aarau in illustrer Runde statt und beleuchtete verschiedene Aspekte.
Aarau Bevor die spannende Diskussion zum Thema «Freie Medien unter Druck» am Donnerstagabend der Vorwoche im kuk Aarau begann, hielt Dr. des. Stefano Pedrazzi, Dozent an der Uni Fribourg, ein einleitendes Referat. Die Anzahl Lokalzeitungen in der Schweiz ist von 451 (2011) auf 347 (2022) gesunken. Weniger publizistische Einheiten, mehr überregionales Medieneigentum und Zentralisierung der Produktion haben direkte Folgen auf die journalistische Qualität und Vielfalt. Eine Medienförderung zur Stärkung des publizistischen Wettbewerbs und zur Verfolgung demokratischer Ziele dürfte früher oder später notwendig werden.
Aileen Lakatos (Journalistin beim Beobachter) leitete anschliessend die Diskussion mit Fabian Hägler (Chefredaktor Aargauer Zeitung), Colette Basler (Grossrätin SP Aargau) und Christof Nietlisbach (VR-Präsident Freiämter Regionalzeitungen). Wie sehr stehen die (lokalen) Medien unter Druck? Trotz Stellenabbau auch bei CH Media sieht Fabian Hägler den Kanton Aargau noch in einer relativ guten Situation, einerseits mit den fünf Regionalausgaben der Aargauer Zeitung (AZ) sowie den weiteren eigenständigen Regionalzeitungen. Er verwies auch darauf, dass der Nationalrat die indirekte Presseförderung (den Vertrieb betreffend) für die nächsten sieben Jahre aufgestockt habe. So soll mehr in die digitale Transformation investiert werden können.
Christof Nietlisbach merkte an, wie stark die Tageszeitungen in der regionalen und lokalen Berichterstattung ausgedünnt worden seien. Dazu fehlten einfach die Ressourcen. Die wirtschaftliche Situation sei massiv angespannt und wenn man nur noch schlechte finanzielle Aussichten habe, sei das Ende einer Zeitung nicht mehr weit. So begrüsse er die Vorstösse von Grossrätin Colette Basler sehr und wünsche sich neben dem Bund auch eine Unterstützung vom Kanton Aargau in Form eines Leistungsauftrages, dass die Berichterstattung über die kantonale Politik auch entsprechend vergütet werde und somit langfristig finanzierbar wäre.
Doch diese Vorstösse im Aargauer Parlament gestalteten sich recht schwierig und langwierig. Es fehle die gesetzliche Grundlage (Mediengesetz), obwohl die Kantonsverfassung ein solches vorsieht. Ein diesbezügliches Postulat sei schon lange hängig, doch sie bleibe dran, erklärte die Grossrätin.
Ein Tweet von Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister besagt, dass Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter drei Finanzierungsoptionen habe: Werbung, Mäzene und der Staat. Es gäbe ja auch noch die Abonnements, merkte Fabian Hägler an. Doch habe noch niemand den «Heiligen Gral» gefunden, wie man online wirklich Geld verdient. Irgendwann würden die Kostenblöcke Drucken und Verteilen wegfallen. Die grosse Kunst werde darin bestehen, sich bis dahin durchzuhangeln und die Online-Nutzung zu steigern, ohne dabei Pleite zu gehen. Ermutigend sei aber, dass das Interesse für regionale und lokale Berichte gemäss Online-User-Zahlen gross sei und dafür eher bezahlt würde als für nationale und internationale Meldungen, die man auch auf anderen Onlineportalen lesen könne.
Bei den Freiämter Regionalzeitungen kämen 60 Prozent der Einnahmen über Abonnements, so Christof Nietlisbach, doch seien die Werbeeinnahmen generell massiv eingebrochen. Das heisst schweizweit ein Rückgang von 1,9 Milliarden Franken 2002 auf 490 Millionen Franken 2020, zu Gunsten der Techgiganten wie Meta oder Google, die anhand der gewaltigen Menge an User-Daten die Werbung gezielt ausspielen können. Allein mit Online-Werbung liessen sich Regionalzeitungen unmöglich finanzieren, da auch die regionalen Märkte dafür viel zu klein seien, erklärt Christof Nietlisbach. Es brauche den Staat, der mithilft, sonst gäbe es je länger je weniger Regionalzeitungen.
Eine Zuschauerin erzählte von einem Bekannten, der behauptet, vieles in den Tageszeitungen werde zensiert und deshalb informiere er sich lieber über Telegram. Dazu antwortete Fabian Hägler, dass es nichts gäbe, worüber die AZ nicht berichten dürfe und dass Telegram ein überhaupt nicht kontrollierter Kanal der Sozialen Medien sei, wo jeder alles posten könne, ob das nun wahr oder eine Lüge sei. So sei die Gefahr gross, in eine Informationsbubble zu geraten. Seit Corona und russischen Desinformationen habe dies zugenommen. Auf jeden Fall arbeite man bei der AZ nach den Rechten und Pflichten der Journalisten und checke auch die Informationen und Quellen gegen. Daher geniesse die AZ ein grosses Vertrauen und sie bewege sich im rechtlichen Rahmen, was bei den Sozialen Medien häufig eben nicht der Fall sei.
«Ich habe es aus dem Internet» – ja woher genau, wer hat es verfasst, wer sind die Quellen? Bei solchen Nachrichten müsse man sehr gut aufpassen, dass man nicht selbst falsche Information weiterverbreite, mahnt Christof Nietlisbach. Es gelte, in den Schulen anzusetzen und mit entsprechenden Lehrmitteln die Medienkompetenz der Jugendlichen zu stärken. Sie sei froh, habe man mit dem Lehrplan 21 das Fach Medien und Informatik eingeführt, so Colette Basler. Die Jugendlichen lernen, wie man Nachrichten vergleicht, verschiedene Quellen auch ausserhalb von Telegram, TikTok, Snapchat und Co. prüfen kann und so möglichst keinen Fake-News auf den Leim geht. So stehen die Medien also nicht nur vor finanziellen Herausforderungen.
Von Olivier Diethelm
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